Leviathan

O-Töne, Teil 12

Fernsehen ist auch nicht mehr das, was es einmal war:
Früher hat man Dawson's Creek geguckt, heute guckt man nur noch Krieg.


Dirk schaltet die Tagesthemen ab.

Künstlerpack

Vergangenen Freitag begab es sich, dass Dirk und ich zu Gast waren bei Nutzergruppe
2
. Der Herr Ingenieur hatte auch weitere Gäste und es war ein sehr schöner bunter Abend, der sich eigentlich bis in den Morgen hinzog.

Nicht nur unter dem gleichmachenden Einfluss geistvoller Flüssigkeiten neigt man bei solchen Gelegenheiten zum Pauschalisieren. So ging es auch jener beliebten Nutzergruppe und mir, als uns klar wurde, dass während wir dem Rösten von Grillgut, Ausschenken von Getränken, Optimieren von Prozessen und weiteren praktischen Kleinigkeiten befasst waren, Dirk und ein ansonsten schwer klassifizierbares Individuum im tiefsten Sinne des Wortes aufgingen im Musizieren.

Während der eine der Westerngitarre Töne entlockte, die man nach dem Reißen der einen Seite und dem Umsetzen der übrigen nicht mehr erwartet hatte, lebte der andere den Beat, indem er den Stiel einer Plastikfliegenklatsche rhythmisch über die Rillen einer Spülbeckenabtropffläche gleiten ließ und gleichzeitig sowohl mit dem bestiefelten Fuß gegen die Kühlschranktür als auch mit der bloßen Hand auf die Arbeitsplatte trommelte. Sie genügten einander oder sogar sich selbst, brauchten weder Sprache noch Blicke und ließen sich nicht im Mindesten durch unsere Gespräche über Fährfahrpläne oder langsam verkohlende Würstchen ablenken.

"Künstlerpack", raunzte der Ingenieur, während wir das Grillgut wendeten, und wusste mich auf seiner Seite. Vor meinem inneren Auge tauchten zum dritten Mal vergessene, überquellende Mülleimer auf, die das häusliche Künstlertum sich einfach nicht ins Bewusstsein bringen kann, wenn gleichzeitig zum x. Mal ein für normale Zuhörer völlig unzugängliches Riff wiederholt werden muss. Oder Samstagabende, die in einem plötzlichen Schaffensdrang mit heftig Lösungsmittel verströmenden Buntlack oder wieder einmal dem Körper der ollen Gitarre anstatt meinem oder wenigstens anderen sozialen Kontakten zugebracht werden müssen.

"Aber wir wollen gar nicht ohne die", fügte er dann noch hinzu. Und ich musste nicht einmal einen prüfenden Blick auf die musizierende Spontankombo werfen, um zu wissen, was er meinte. Man verbringt doch gern mal wieder einen Samstagabend allein, wenn danach plötzlich das diffus erträumte, riesig strahlende Gemälde über dem Sofa hängt.

Leuchtturm

Wer?

Merlix hat mich diesmal nicht nur zum Schmunzeln, sondern auch etwas ins Grübeln gebracht. Er berichtet vom täglichen Ausfechten der eminent wichtigen Frage, wer von beiden morgens den Kaffee zu bereiten hat.

Nein, ich fühle mich nicht in meiner emanzipierten Ehre gekränkt, weil ich in 90% der Fälle einfach früher aufwache und dann einsatzfähiger bin. Anders herum bin ich Dirk sehr dankbar, wenn er, während ich schon unter der Decke dem nächsten Tag entgegen schlummere, abends noch das frisch gebackene Brot aus dem Automaten befreit.
Was mich hingegen beschäftigt, ist der Ansatz der ständigen Auseinandersetzung. Wir haben den nicht sehr belebten Leviathan gegründet, um jede dieser "wer macht das jetzt"-Streitfragen ein für alle mal abzuhandeln. Er kocht, sie putzt - Punkt, endgültig.

Natürlich versuchen wir auch bei diesem Vorgehen eine allgemeine Gerechtigkeit in der Verteilung der Haushaltspflichten zu erreichen. Und dabei Vorlieben und Fähigkeiten der Beteiligten zum Wohle aller zu berücksichtigen. Saskia hat keine Geduld zum Würzen, Dirk sieht Staubflocken einfach nicht. Und es funktioniert recht gut. Wir schaffen es sogar, Pflichten des anderen in Zeiten offensichtlicher Belastung ohne allzugroße Selbstbeweihräucherung mit zu übernehmen.

Als einziger Zweifel bleibt die Frage, ob man sich in einer so reibungslos funktionierenden WG nicht um die lebendige Diskussionskultur und den von Merlix beschriebenen Sieg bringt. Aber schließlich vermisst man (und insbesondere Saskia) immer das, was man gerade nicht hat. Und eigentlich bin ich sehr, sehr glücklich in meinem harmonischen, klar in Rechte und Pflichten aufgeteilten Sauertopf, der mir die Möglichkeit gibt, Gefechte außerhalb des Basislagers zu führen.

Und natürlich werden auch in einem geregelten Haushalt noch täglich Sonderaufgaben wie Terminkoordination, Grillguteinkäufe und Reservierungen verteilt. Aber irgendwie ist auch da meistens klar, wer es zu erledigen hat...

Vorschau

Es ist Sonntagmorgen. Der erste Kaffee ist durch, das Wetter ähnlich berauschend wie gerade. Phoenix hat nicht gerade eine seiner Sternstunden der Dokumentation sibirischer Alltagstraditionen, sondern zeigt in der vierten Wiederholung Maximilian Schell, der bedeutungsvoll als Möchtegernmönch durch schlechte Kulissen wandelt und über das Seelenleben König Davids philosophiert. Arbeit kommt nicht in Frage.

Es gibt eigentlich nur einen ehrenhaften Ausweg aus dieser Situation... Aber wie?

Katze oder Marmeladenbrot?
Wer soll oben liegen?

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Hans-Dirk

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Saskia


Total: 100% (0 votes)

Created by Saskia on 22. Apr, 20:39.
This poll was closed on 23. Aug, 22:20.

Party Time - Excellent!

Ich war gestern auf einer "Party". Da wurde die Kälte im Schweinestall mit Dekalitern Glühwein bekämpft, gequalmt, bis man die Theke nicht mehr sehen konnte, und lautstark dörfliche Trinklieder zum Besten gegeben.
An diesem fröhlichen Ort standen Dirk und ich ein wenig im Schallschatten des lautstarken 90er-Jahre-Tanzmusik und unterhielten uns prächtig mit einem Pärchen über die viel zitierten guten alten Zeiten und häusliche Regeln. Mit viel Ausdauer und Engagement wurde erörtet, ob Wasserkocher wirklich immer geleert und neben der Station deponiert oder sogar nach einer entsprechenden Trockenzeit in den Schrank zu räumen sind. Dirk muss erfreut festgestellt haben, dass es "Schlimmere" gibt als mich. Er muss immerhin nicht nach dem Duschen die Armaturen abwischen. Jedenfalls wurde beim Genuss von mäßigen Mengen Cola dauerhaft und lustvoll Regel Nr. 3 gebrochen.
Und ich habe mich gut amüsiert.

Datentopf

Und noch einer zum Thema Ordnung im Leben:
Wie könnte ich von jemandem erwarten, dass er weiß, in welcher Schublade sich das Salatbesteck befindet, wenn er Dateien auf seinem Rechner nur noch unter Zuhilfenahme einer Desktopsuche wieder auftut?
Das wusste ich ja schon immer. Aber jetzt weiß ich mehr:
Die Schwierigkeit besteht nicht nur darin, dass Dateien nach Lust und Laune ohne jede Systematik benannt werden, sondern zusätzlich auch noch "nach Gefühl" abgelegt werden, in einem der folgenden Verzeichnisse:
  • C:\
  • C:\Sonstiges
  • C:\Dokumente und Einstellungen\[Username]\Eigene Dateien
  • C:\Dokumente und Einstellungen\[Username]\Eigene Dateien\Sonstiges
  • C:\Dokumente und Einstellungen\[Username]\Eigene Dateien\Eigene Bilder
  • C:\Dokumente und Einstellungen\[Username]\Eigene Dateien\Eigene Videos
  • C:\Dokumente und Einstellungen\[Username]\Eigene Dateien\My Videos
Wobei durchaus Songtexte in "Eigene Bilder" und Zeitungsartikel in "Eigene Videos" landen können. Aha.
Ich wusste schon immer, der Mann ist genial. In jedem Fall beherrscht er das Chaos!

Level 2

Mir ja war ja schon länger klar, dass es im Sauertopf manchmal gar nicht so ungemütlich, sondern nachgerade harmonisch zugeht. Bestes Beispiel der Leviathan: Einst gegründet in Erwartung des dringenden Bedarfs zur Dokumentation hart erstrittener, zähneknirschend akzeptierter aber lebensnotwendiger Einigungen ist er bei Regel Nr. 4 stehen geblieben. Alles andere hat sich irgendwie so eingerenkt.
Aber es geht auch anders, wie mir ein Kollege heute offenbarte: Man braucht nur eine Reihe kleiner Kinder. Diese durchaus nette und gemütliche Familie hat zu Hause nicht nur ein deutlich umfangreicheres Regelwerk (Im Sauertopf musste irgendwie nie beschlossen werden, dass keiner Zahnpasta an den Spiegel spucken darf), sondern neuerdings auch noch Regeln, wie mit Verstößen umzugehen ist: Jeder hat einen Becher mit Unterlegscheiben, der das wöchentliche Kontigent an Ungezogenheiten symbolisiert. Regelbrüche werden nicht nur mit Gezeter quittiert, sondern durch eisenhartes Abdrücken an "die Bank" bestraft. Am Wochenende wird dann ausgewertet. Während ich am Wochenende ausschlafe...
Komischerweise endete der Bericht des gestressten Vaters dann doch mit: "Ich würde das niemals eintauschen wollen gegen ein friedlicheres Leben". Bei mir weckte er hingegegen eine ungekannte Sympathie für die von Dirk gern praktizierte Straußentaktik zum Umgang mit Unstimmigkeiten.

Der Kleine lebt sich ein

Dirk hat ihm die wichtigen Verhaltensmaßregeln beigebracht:
Now, that Saskia is here you need to learn some additional rules: Always empty the kettle completely after use.
Wir haben aber auch neue Regeln erfunden:
Jeden Abend eine Stunde und ein Bier länger aufbleiben.
Jedes Wort, das nicht alle verstehen, wird in drei verschiedenen Wörterbüchern nachgeschlagen.
Jede Woche ein deutscher Abend. (Diese Woche allerdings nach 10 Minuten wegen Verständigungsschwierigkeiten abgebrochen.)

Junge, komm bald wieder...

Mein Papa, von dem Dirk sowieso immer behauptet, er klinge wie Käpt'n Blaubär - insbesondere dann, wenn er sein international erworbenes Seemannsgarn ausbreitet - hat mit seiner unnachahmlich hanseatischen Holzhammerweisheit erkannt, warum das Leben im Sauertopf so viel friedlicher verläuft, als zunächst gedacht:

Seemannsehen sind die glücklichsten.
(schreibe ich am Sonntagnachmittag aus meinem Büro...)

Regel Nr. 4

Steh zum Abschied auf und umarme sie - auch wenn gerade das U21-Spiel wiederholt wird. Nur XXX würde sitzen bleiben.
Und diese Regel habe nicht ich mir ausgedacht!

Sauertopf

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Online seit 6944 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 27. Mai, 17:58

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