Klassenkampf

HSV

Man kann sich seinen Verein leider nicht aussuchen. In dieser Hinsicht verhält es sich ähnlich wie mit dem Vornamen – eines Tages nimmt man ihn wahr und behält ihn dann ein Leben lang. Mein Club ist der Hamburger SV. Seit jenem Spätsommernachmittag in den achtziger Jahren, als mein Großvater seinen Sohn, seinen Schwiegersohn und seine Enkel in den großen hellgrünen Mercedes lud und die ganze Sippschaft ins Volksparkstadion entführte. Eine Männergruppe, wie sie vorzüglicher auch in die aktuelle Holsten-Kampagne nicht passen würde. ("Auf die Familien!")

Ich war gerade alt genug, um das Spiel einigermaßen zu verstehen – was zugegebenermaßen auch nicht allzu schwer ist –, die bedeutungsvollen Blicke der Verwandtschaft auf mich wirken zu lassen und zu wissen, dass Fußball offenbar etwas ganz Besonderes ist, wenn die Mannschaft mit den roten Hosen beteiligt ist. Fanwerdung durch Vererbung. Die letzten Happel-Jahre nahm ich also zumindest auf dem Papier noch mit, wenn auch als Kind noch stark darauf angewiesen, dass von Zeit zu Zeit der sehnsüchtig erwartete Shuttle-Benz vorfuhr, den der Opa dem Anlass entsprechend stets mit einer Fahne dekoriert hatte.

Mein Großvater lebt schon lange nicht mehr – und was seinen Verein angeht, ist ihm eine Menge erspart geblieben. Der rasante Weg von einem der stärksten Teams des Kontinents zu einer wenn schon nicht grauen, dann wenigstens recht blassen Maus mit Bundesliga-Abo. 15 Jahre absolute Tristesse, das Dilemma der Nachgeborenen.

"Aber im nächsten Jahr greifen wir richtig an", so das langjährige Leitmotiv des Clubs, während im Zweiwochenrhythmus unerschrockene Optimisten ins kalte Volksparkstadion pilgerten, sich wärmende Geschichten aus besseren Tagen erzählten, um sich vom Geschehen auf dem Rasen abzulenken, und die Tatsache verfluchten, dass man sich seinen Verein eben nicht aussuchen kann.

Adieu, Tristesse! Die seltsame Fußballmüdigkeit, die ich noch im August 2005 verspürte, ist verschwunden. Die Vorfreude auf die Rückrunde der Fußball-Bundesliga könnte größer kaum sein.

Das vergangene Spieljahr mag das erfolgreichste gewesen sein, seit ich nicht mehr in der abgebildeten Bettwäsche schlafe, doch so richtig genießen konnte ich es nicht. Nein, nicht des traurigen Endes wegen. Eher, weil dieses so vertraute HSV-Gefühl fehlte. Eine einzigartige Gemütslage, die nur Menschen begreifen können, die Souleyman Sané oder Toni Polster mit erhobenen Armen auf die halbleere Ostkurve zulaufen gesehen haben.

Gefühle, wo man schwer beschreiben kann, halt. Ein Freund von mir hat es trotzdem einmal versucht. "Es ist, als hätte man zwei große Dosen Ravioli gegessen. Man fühlt sich einfach nicht gut." Aber immerhin ist man satt.

17 Endspiele entsprechen somit 34 Dosen Ravioli. Ich hoffe, im Mai ist mir nicht unglaublich schlecht.
Hans-Dirk - 4. Feb, 12:02

So, die ersten sechs Büchsen sind verputzt. Und eigentlich reicht es damit auch.

Hans-Dirk - 5. Mär, 17:13

Mmmmmh, leckere Ravioli. ;)

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