Eine der Sachen, die ich mir als schön erträumte seinerzeit, war endlich eine Tageszeitung zu haben.
Und das ist tatsächlich sehr schön jetzt. Ich lese Sie abends, denn erstens bin ich nicht so sehr auf der Höhe der Zeit wie Dirk, der schon morgens findet, dass in der Zeitung nur alte Nachrichten stehen, und zweitens bin ich nicht bereit, meine Frühstücksgewohnheiten so zu verändern, dass mein Aufzug dabei einem entspricht, den ich verantworten könnte im unwahrscheinlichen Fall, dass mir auf drei Ebenen zum Briefkasten und zurück Nachbarn begegnen. (In diesem Fall würde ich ja meinen Aufzug fürs Büro bekleckern.)
Das Lesen selbst läuft wie bei Hoppenstedts: Das einzige, was fehlt, wenn ich mir das Blatt abends kralle, sind die Sportseiten, die ich genau wie Börse, Finanzen und Autos sowieso ungelesen in die Bananenkiste für Altpapier werfe. Der Rest gehört mir: Ich darf ihn durchs Haus fleddern, alle Seiten krumm machen, wie es mir gefällt, und die Überreste irgendwann ohne Widerrede entsorgen, das ist sehr entspannt. Und freitags werde ich gar empfangen mit: "Sieh mal, hier ist das Magazin, das liest du doch so gerne." (nachdem ich mich einmal lauthals beschwert hatte, dass eine Ausgabe ohne meine Kenntnisnahme in irgendwelchen Rucksäcken verschwand)
Alles in allem eine Bilderbuchgemeinschaft von Zeitungseintracht.
Um mal was Nettes zu schreiben... ;-)
Saskia - Montag, 11. Juli 2005
Gestern geschah etwas Seltsames, das der Routine komplett widersprach:
Ich bin aufgestanden, und da war schon Leben in der Wohnung: Der Kaffee war aufgesetzt, es waren Brötchen im Ofen und ich hörte die Dusche plätschern.
Das ist vorher noch nie passiert! "Normalerweise" bin ich doch zuerst wach und zuerst in Fahrt sowieso und muss versuchen mich irgendwie zu zügeln, um nicht völlig unerträglich für meinen Mitbewohner zu sein, der nun einmal erste eine Stunde nach dem Aufstehen wirklich wach ist.
Aber gestern war es anders, denn wir sollten um 6:00 Uhr morgens abmarschbereit sein. Und da ich um diese Uhrzeit auch nur bedingt munter bin und keine Stunde Vorlauf benötige, hatte ich meinen Wecker offensichtlich eine Viertelstunde später gestellt.
Und schon war alles neu...
Saskia - Sonntag, 10. Juli 2005
Es ist gut für eine Beziehung, ein gemeinsames Ziel, ein gemeinsames Projekt zu haben, an dem beide arbeiten, habe ich mal gelesen.
Und tatsächlich hatten wir eine ganze Menge Spaß, solange wir zusammen gegen die störrischen Fußleisten kämpfen oder logistische Meisterleistungen bei der Koordination von Arbeitszeiten, Verkehrsmitteln und undabdingbaren Haushaltsgegenständen vollbringen konnten. Welch ungetrübte Freude bei der Ankündigung "Ich habe meine Kaffeemaschine dabei"!
Aber mittlerweile muss ich feststellen, dass wir uns erstaunlich gut und schnell sortiert haben. Bei der Organisation von Alltag scheinen wir uns nicht annähernd so schwierig anzustellen wie bei der Ordnung unserer Beziehungsebenen. Inzwischen kommt man einfach nach Hause, und es herrscht gemäßigtes Chaos, es ist Essen im Haus, die Wäsche trocknet und der Geschirrspüler surrt vor sich hin.
Nur einen Gegner gibt es noch, mit dem wir es abwechselnd und gemeinsam aufnehmen, der uns herausfordert und mit dem wir noch eine zeitlang ringen werden - mit wechselnden Zwischensiegen: die WM. (Ich könnte jetzt Regel Nr. 5 wiedergeben: "Kürze NIE Waschmaschine mit den heiligen Buchstaben ab.") Ich bin nach wie vor sicher, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben "
damals" - ganz gegen euren Rat übrigens. Aber dieses fiese Gerät von Waschmaschine ist ein würdiger Endgegner, bevor wir ins komplett organisierte Spießertum abrutschen: Man füttert sie auf eine geradezu rührend archaische Weise mit Münzen (AEG mit Spurrillen, die nur in einer bestimmten Orientierung in den Schlitz passen, völlig ungeeignet für Frauen ohne 3D-Vorstellungsvermögen), damit sie eine gewisse Menge Strom verbrauchen darf. Dann gibt es da das Rädchen für die Programme, das Rädchen für die Temperatur und drei Zusatzknöpfe - das ist der Code, den wir knacken müssen, das ist unsere letzte Suche nach dem Heiligen Gral: Wie muss man die Einstellungen wählen, damit der kleine Nimmersatt für eine Wäscheladung nur für zwei Münzen Strom benötigt?! (Frauen mit numerischem Vorstellungsvermögen könnten jetzt die Menge der Einstellungsmöglichkeiten berechnen.)
Falls wir jemals über "zwei Trommeln zu fünf Münzen" hinauskommen, werden wir hier den Highscore ausrufen - und abends gleich jeder in sein Zimmer verschwinden.
Saskia - Dienstag, 5. Juli 2005
Hier die Auswahl der kreativsten Kosenamen der letzten 10 Tage:
- Ziegenproblem
- Plansau
- Przympfmek (in Anlehnung an die polnische Verniedlichungsform männlicher Vornamen)
Nur zur Sicherheit: Das ist weder unanständig noch ein Zeichen mangelnder Harmonie.
Saskia - Sonntag, 3. Juli 2005
Manchmal werde ich gefragt, was im Sauertopf eigentlich noch ohne Netzwerk passiert. nun, dass das
Digitale Putzen keine dauerhafte Lösung ist, lässt sich leicht einsehen und dramatisch ausmalen. Auch eignen sich andere körperliche Tätigkeiten nicht für die Digitalisierung. Aber bei allem, was Informationsvermittlung umfasst, spielen Byte-Pakete eine Rolle: Wenn ich Dirk mitteilen will, dass er bitte einen Brief in den Kasten werfen möge, dann schicke ich eine E-mail, weil er bestimmt häufiger und intensiver in seinen digitalen Posteingang guckt als an irgendeinen anderen Ort im Sauertopf.
Musik liegt auf einem Netzlaufwerk, genauso wie der durchgestylte Excel-Haushaltsplan, der mit sinnigen Aussagen aufwartet, wer wem gerade -120,34 € schuldet.
Genau zweimal habe ich bisher "Zettelchen" geschrieben und z. B. auf seinem Kopfkissen deponiert. Aber das waren dann auch eher Gefühlsdokumente (Da habe ich aber ein prima Wort erfunden, hinter dem sich sowohl Liebesbriefe als auch Schmähschreiben verbergen lassen!) als Informationsträger.
Und dann gibt es noch einen Anwendungsfall, der bisher als Papier-Workflow abgewickelt wird, weil ein Medienbruch nicht zu vermeiden ist: der gute alte Einkaufszettel, den man so herrlich in die Hosentasche knüllen und bei Aldi wieder herausfummeln kann. Ich bin gespannt, wann ich auch den Hinweis, dass ich Klopapier mitbringen soll, auf mein mobiles Begleitgerät streamen lasse...
Das Moblog-Feature für den Sauertopf benutze ich übrigens auch noch nicht, wahrscheinlich weil ich sowieso immer am Schreibtisch sitze. Aber vielleicht wird das ja anders, wenn die Nachrichten aus meinem digitalen Heim mich auch bei Aldi an der Kasse erreichen.
Saskia - Samstag, 2. Juli 2005
You should not worry!
(Weisheit aus dem Abendland.)
Hans-Dirk - Dienstag, 28. Juni 2005
Es hat mich ja von Anfang an sehr interessiert, was für Auswirkungen die lokale Nähe auf den Respekt der Eigenständigkeit des Anderen hat.
Ich stelle fest, dass man mit der Zeit weniger darauf achtet, seine Sachen aus dem Weg zu räumen oder Orte so zu verlassen, wie man sie vorgefunden hat. Die Hemmungen sinken, ohne Ankündigung Fragen nach banalsten Dingen quer durch die beiden Zimmer zu brüllen. Manchmal ist man offenkundig schlechter Laune und lebt seine Wutanfälle gnadenlos aus (ja, nur ich, ich weiß).
Aber man fragt noch immer: "Darf ich herein kommen?", bevor man das Zimmer des Anderen betritt, sofern man nicht zuvor ausdrücklich eingeladen wurde. Und nie würde man sich ohne eine explizit rationelle Diskussion dem Bett des anderen nähern - erst recht nicht mit dem Ansinnen dort die Nacht zu verbringen. Stattdessen steht man da am Eingang, unvorteilhaft gewandet, verschämt auf die nackten Füße schauend und fragt: "Darf ich bei dir schlafen?" Genauso wie man früher gefragt hat: "Papa, krieg ich noch ein Eis?" Das gleiche Schmeicheln, das gleiche bange Hoffen und ausgeliefert Sein der Willkür eines Anderen. Nur dass Papa seinerzeit weniger Gründe hatte, einem den Wunsch zu verwehren... Das ist noch immer größerer Thrill als jeder Tatort.
Saskia - Dienstag, 28. Juni 2005
Steh zum Abschied auf und umarme sie - auch wenn gerade das U21-Spiel wiederholt wird. Nur XXX würde sitzen bleiben.
Und diese Regel habe nicht ich mir ausgedacht!
Saskia - Dienstag, 28. Juni 2005
Alles voller Saurier. Geil!
(Hans-Dirk mit einer Tüte Haribo Phantasia.)
Hans-Dirk - Sonntag, 26. Juni 2005
Heute beim Frühstück schnitt ich mir (noch unter Caipi-Einfluss?) in den Alt-Tab-Daumen (der Handwerker würde sagen: in den linken). Erfreulicherweise fand Hans-Dirk innerhalb kürzester Zeit Pflaster, das er mir liebe- und kunstvoll um die blutende Wunde bastelte. ("Ich wünschte, ich hätte welche mit bunten Tieren!")
Zwei Stunden später rammte er sich beim Versuch, einen Dübel aus der Wand zu ziehen, eine Zange in seinen - ratet - Alt-Tab-Daumen. Leider passierte das Unglück nicht im Sauertopf, so dass auch keine Pflaster verfügbar waren und ich mich nicht revanchieren konnte mit entsprechender Wundversorgung.
Man fragt sich doch heimlich, ob da ein Zusammenhang besteht...
Saskia - Samstag, 25. Juni 2005
Gestern waren wir zum ersten Mal gemeinsam spazieren nach dem Abendessen. Hätten wir vorher noch die Tagesschau geguckt, hätten wir uns (äußerlich???) kaum von den Pärchen unterschieden, die seit 20 Jahren dort eine ausgetretene Runde drehen. So aber war alles neu:
Zunächst die unmitelbare Umgebung mit ihren bürgerlichen Mietwohnungen, aus denen die Menschen um diese Zeit ihren Papiermüll ordentlich verschnürt an die Straße zur Abholung am nächsten Morgen tragen, nachdem sie gerade am Küchentisch Fischstäbchen mit Kartoffelpüree gegessen haben.
Dann das Exindustriegelände mit großen entkernten Rotklinkerhallen im stimmungsvollen Abendlicht mit kleinen Rasen- und Wasserflächen dazwischen zu einem künstlichen Park ergänzt, in dem hippe Yuppies ein abendliches Picknick in der Großstadt zelebrieren, sofern sie nicht in das am Rande gelegene Fitness- und Wellnesszentrum pilgern oder noch immer telefonierend im Anzug ohne Krawatte in die trendige Brasserie überwechseln.
Und letztlich die Ecke, wo mürrisch dreinschauende Menschen vor zwei pakistanisch geführten Pizzagaragenimbissen auf ihre Bestellung warten und währenddessen entweder gedankenverloren an Teilen ihres schon längst nicht mehr nur Freizeitlooks aus Trainingshosen und zu kleinen Strickjacken zupfen (Frauen) oder ebenso gedankenlos Dosenbier süffeln (Männer).
Schön wohnen wir hier, lass uns Tagesthemen schauen...
Saskia - Donnerstag, 23. Juni 2005
Von wegen ich würde immer nach Machos mit muskulösen Schultern gieren - was mich beeindruckt sind eher maskuline Züge wie der heute Morgen:
- "Kann ich so gehen?"
- "Hell- und dunkelblau... naja."
- "Ich meinte eigentlich den eingerissenen Schlitz hinten an meinem Rock."
- "Ach, komm, den näh' ich Dir eben zusammen."
Und dann sitzt er da im Schneidersitz, angetan mit einem langärmligen lila Shirt, das eigentlich auch am frühen Morgen schon viel zu warm sein dürfte, auf seinem rot-orange bezogenen Bett und bastelt meinen Rock zusammen, den ich sonst wohl einfach entsorgen hätte müssen. Was für ein Mannsbild! Wäre ich doch nur Vermeer...
- "Ich kann ihn auch unten komplett zunähen, dann guckt dir wenigstens keiner unter den Rock."
Saskia - Donnerstag, 23. Juni 2005
Okay, ich geb auf. Ich gebe nach. Das muss betont werden, weil das ein absoluter Ausnahmefall ist. Meistens "gewinne" ich doch im Wettstreit der Dickköpfe.
Worum es geht? Nun es geht um die Metaebene - was auch sonst. Wir hatten so eine Art Pseudo-Hauskrach, d.h. wir haben uns nicht über irgendwelche Dinge in der realen Wohnung in die Haare gekriegt, sondern eigentlich nur über deren Darstellung im virtuellen Sauertopf.
Das endete selbstverständlich damit, dass ich zunächst die Face-to-Face-Kommunikation in Ordnung bringen wollte, bevor ich an der digitalen Diskussionskultur weiter arbeite. Sprich: Sauertopf-Abstinenz, Funkstille für immerhin eine Woche. Erst einmal herausfinden, wo das Problem liegt.
Nur - da war eigentlich nichts zu verbessern. Ist zwar langweilig, aber wir sind ja doch harmoniesüchtig und uns weitestgehend einig, wie der Alltag zu gestalten ist. Und nicht mal richtig uneins, wie das virtuelle Zusammenleben zu organisieren ist. Eigentlich gibt es kein Problem.
Also muss ich zugeben, dass ich doch eine Menge Spaß hatte mit meiner virtuellen Räuberhöhle und Spielwiese, und mich dem nur schwer entziehen konnte.
Weiter geht's folglich mit einer vielleicht ausgewogeneren Berichterstattung aus den Untiefen des Alltagslebens und dem ausdrücklichen Warnhinweis, dass es genau das nicht sein soll: ein Abbild der Wirklichkeit. Hier wird weiterhin übertrieben und polemisiert. Zu Risiken und Nebenwirkungen...
Aber ist es nicht bemerkenswert, dass jedes Medium nach kürzester Zeit sich selbst und seine Rezeption zum Thema macht? -Fortsetzung folgt.
Saskia - Dienstag, 21. Juni 2005
Gib mir mal die Startseite rüber.
(Beim gemeinsamen Zerfleddern einer Tageszeitung.)
Hans-Dirk - Dienstag, 14. Juni 2005
Wenn man lange genug Lebensbereiche teilt, dann wird man irgendwann vom Paar auch zum Team, das Aufgaben gemeinsam wahrnimmt und löst. Eine schöne Sache, man kann einander den Rücken freihalten: Ich kann an Wochentagen eben schlecht zu Hause sein, um Handwerker zu empfangen; Dirk gibt den Zeitplan fürs Wochenende vor, weil er da arbeiten muss. Diese Aufteilung war eigentlich schon lange so und hat auch immer ziemlich gut funktioniert. Aber jetzt bin ich darauf herein gefallen:
Sonntag war der glückliche Tag, als es zum ersten Mal wohnlich bei uns aussah.
Dienstag fing es schon wieder an zu verdrecken. Dummerweise geht das bei doppelter Bewohnerzahl auch doppelt so schnell.
Mittwoch habe ich darüber zum ersten Mal eine Bemerkung fallen lassen.
Die Wiederholung der Äußerung am Donnerstag wurde als Gemecker abgekanzelt.
Am Freitag wurde ich langsam richtig unglücklich in dem Siff. Um den Frieden wieder herzustellen, wurde ich beruhigt und getröstet mit dem Vorschlag, doch den Sonntag zum Putztag zu erklären. Na gut, nur noch zwei Tage.
Am Samstag habe ich dann wenigstens einmal Staub gesaugt.
Und heute fiel mir dann auf, dass zwar Putzen endlich auf dem Plan stand, aber Dirk natürlich arbeiten und proben muss - wobei ich ihm selbstverständlich den Rücken freihalte.
Jetzt ist es erst einmal wieder sauber, aber das letzte Wort zu diesem Thema ist noch nicht gesprochen, fürchte ich.
Saskia - Sonntag, 12. Juni 2005
Dirk war so freundlich, meinen alten Kühlschrank mit der Digitalkamera zu portträtieren, um ihn der ebay-Gemeinde schmackhaft zu machen. Als er sich dem Objekt näherte, stellte er fest, dass es nicht ganz so sauber war, wie für eine vorteilhaftes Foto benötigt. Und was macht der Mann von heute, wenn der Kühlschrank dreckig ist? - Nun, er regelt den Kontrast hoch und putzt ihn mit Photoshop!
P.S.: Braucht jemand noch einen Kühlschrank? Er ist wirklich noch gut und wird auch vor Übergabe real gesäubert.
Saskia - Sonntag, 12. Juni 2005
Sprich nicht auf Parties über den Putzplan (Asche auf mein Haupt).
Saskia - Samstag, 11. Juni 2005
Als ich nach Hause kam, nieselte es leicht.
Über dem nächsten Stadtteil schien aber schon wieder die Sonne mit der Abenddämmerung.
Und genau über dem Sauertopf endete ein leuchtender Regenbogen.
Saskia - Mittwoch, 8. Juni 2005