Und täglich grüßt der Chinamann

Im Discounter-Distrikt gibt es auch einen kleinen asiatischen Lebensmittelladen. Regelmäßig erstehe ich dort die einzigen beiden für mich interessanten Produkte, die die umliegenden Supermärkte nicht – oder nur zu absurden Preisen – anbieten: Mie-Nudeln und Soja-Sauce. Der freundliche Besitzer des kleinen Shops und ich haben dabei in den letzten Wochen unser eigenes Ritual entwickelt, wenngleich er das ganz offensichtlich noch nicht mitbekommen hat.
Ich lege also jedes Mal mein halbes Kilogramm Nudeln auf den Kassentresen und warte auf das unvermeidliche "1,65 Euro, bitte". Das wiederum bedeutet mir, dass wir das gleiche Spiel spielen werden wie immer. "Nein, nein, die kosten nur 1,45 Euro. Das steht zumindest auf dem Preisschild am Regal." – "Aaah, wirklich?!?"
Dann klettert er hinter der Theke hervor, wirft einen prüfenden Blick auf den Aufkleber, den er vor langer Zeit einmal über die Nudeln geklebt hat, eilt etwas verlegen zurück zur Kasse, tippt den richtigen Preis ein und entschuldigt sich vielfach. "Verzeihen Sie. Das ist, weil wir haben verschiedene Nudeln. Und ein andere Sorte kostet 1,65 Euro."
Jedes (!) Mal. Ausnahmslos.
An diesem Samstagvormittag hat mich das alte Schlitzohr allerdings überrascht. "Wollen sie Bratnudeln machen?", fragte er und während ich noch leicht perplex "Ja, genau…" stammelte, wurde mir plötzlich bewusst, dass die Blitzmerkerei doch keine exklusiv deutsche Tugend ist. Das Was kosten die Nudeln-Spiel haben wir im Anschluss natürlich trotzdem gespielt…
PS: Ich hoffe, wir bekommen wegen des politisch unkorrekten Ausdrucks Chinamann jetzt nicht lauter Zuschriften von aufgebrachten Indios oder Eskimos.
Hans-Dirk - Montag, 11. September 2006