"Ich fühl' mich heute wie gerendert."
(Verdammte IT-Kollegen.)
Hans-Dirk - Dienstag, 5. August 2008
Der Busfahrer räuspert sich kurz, er hat ganz offensichtlich Mut gesammelt. Dann aber äußert er sich, wenn auch in leicht gebrochenem Deutsch, laut und unmissverständlich: "Hallo, Sie, an die letzte Tür... Bitte frei machen!"
Sein Adressat, ein langmähniges Menschenweibchen, erhört ihn jedoch nicht. Wortlos rückt es stattdessen bloß ein wenig weiter von der Tür weg.
Hans-Dirk - Freitag, 15. Juni 2007
Auf dem Heimweg kurz nach Mitternacht auf meine schüchterne Frage, was noch gehe:
Die Einschlafwahrscheinlichkeit liegt bei 92%. Weitere 8% entfallen auf Sportnachrichten im Videotext und Fernsehen.
Er ist dann gleich eingeschlafen. Man muss nicht um den heißen Brei herumreden.
Saskia - Sonntag, 18. März 2007
Zum Glück hat man Freunde, die einem nach so einem Eintrag Aufmunterungsnachrichten schicken oder einen gleich einladen - am folgenden Abend zum Kontrastprogramm.
Ich werde mitgenommen in einen kleinen Laden, der durch ein Kollektiv von Enthusiasten betrieben wird. Hübsche junge Menschen sitzen friedlich im Halbdunkel auf einer bunten Sammlung von Sitzmöbeln der vergangenen Jahrzente und tauschen sich aus. Die im Nebenraum mit Hingabe und Detailkenntnis eingerichtete Sushi-Manufaktur kontrastiert aufs Hinreißendste mit der Örtlichkeit eines ehemaligen Schlachterladens. Kaum zu glauben, dass es sich bei den weißen Fliesen und riesigen Haken ringsum nicht um eine stilechte Retortenproduktion wie am Tag zuvor handelt. Eine Angebotstafel für Schlachtplatte lacht mich an, während sich niemand daran stört, dass ich etwas unbeholfen die festen Reisröllchen in Richtung Soßenschälchen und anschließend in den Mund befördere. Und die schwere, leicht angegilbte Kühlraumtür! "Dahinter sind unsere Spiele. Wenn ihr Memory spielen wollt?"
Immer mehr Menschen aller Haut-, Hosen- und Haarfarben lassen sich mit einem Tellerchen Sushi und einem Flaschengetränk nieder. Ihre Gesprächsfetzen übertönen selten den von der Frau an der Theke bedächtig zusammengestellten Klangteppich. Wir sprechen kaum und ich kenne niemanden. Aber ich könnte an diesem Ort länger sitzen, wenn ich nicht den weiten Weg in meine Hotel-Pension antreten müsste.
Saskia - Samstag, 10. März 2007
Nachdem ich im Hotel, das eigentlich eher eine Pension ist, eingecheckt habe ("Ach, da ist ja mein Zimmer 10 - von irgend so einer Internetfirma."), sitze ich in einer Art Motto-Restaurant, das erstaunlich überzeugend einen gediegenen schweren Südstaatencharme versprüht, der zumindest von meinem geschützten Platz aus nicht einmal durch die angrenzende Bar, Bowlingbahn, Fußballleinwand oder Tanzflächen kleinzukriegen ist. Das ganze heißt Kangaroo Land.
Ich habe hier Zuflucht gesucht. Außerhalb des Leichtbetonblocks, der mein Restaurant mit den schnörkeligen Holz- und Ledermöbeln umgibt, herrscht triste Plattenbauatmosphäre (der Projektleiter raunte warnend: "Naziviertel"). Selbst mir war der Dönerladen zu trostlos. Aber obwohl, das abgeteilte Restaurant, in dem ich alleine sitze, solange nicht einzelne Küchenmädchen in Corporateschürze mit Finger Food in den Barbereich vordringen, optisch gar nicht ungelungen arrivierte Kultur repräsentiert, schauen mich die freundlichen, blondierten Bedienungsjungs an wie ein Alien, als ich sage, ich möchte nur in Ruhe etwas essen. Und noch viel mehr, als ich schüchtern frage, ob es vielleicht etwas zu lesen gäbe. (natürlich nicht)
Ich bin der einzige Gast, der nicht Sportschuhe, Jeans und Bomberjacke trägt. Ich fühle mich fremd. Ich trinke australischen Rotwein und kritzele Situationsbeschreibungen auf die Rückseite meiner Telefonliste, während ich überlege, was im Projekt noch zu tun ist. Ich fühle mich auch dabei fremd.
Saskia - Mittwoch, 7. März 2007
"Du bist im Grunde genau wie Jan Ullrich. Sobald Du mal eine Weile keinen Sport treibst, gehst Du auf wie …"
(Saskias Miene verfinstert sich. Eiseskälte im Raum.)
"… ein leuchtender Stern. An einem wunderschönen Nachthimmel."
(Saskia verlässt das Zimmer.)
Hans-Dirk - Montag, 5. März 2007
"Nicht jeder, der G-Star trägt, ist Ausländer. Aber jeder Ausländer trägt G-Star."
(In der S-Bahn aufgeschnappt.)
Hans-Dirk - Freitag, 16. Februar 2007
Fernsehen ist auch nicht mehr das, was es einmal war:
Früher hat man Dawson's Creek geguckt, heute guckt man nur noch Krieg.
Dirk schaltet die Tagesthemen ab.
Saskia - Samstag, 10. Februar 2007
Dirk hat immer freundliche
Kosenamen oder andere aufmunternde Wörter für mich übrig. Gestern, als sein Wecker um 01:30 mich aus der ersten Tiefschlafphase riss:
Ui, du guckst so intelligent wie ein Bluescreen.
Saskia - Samstag, 10. Februar 2007
"Emma, ich glaube nicht, dass der Mann es mag, wenn Du ihm Deine Holz-Ente gegen das Knie schleuderst." Richtig. Zwei Stunden sitze ich bereits im Wartezimmer. Der Spiegel ist längst ausgelesen, ich klammere mich an das Kuvert mit den Nacktaufnahmen meines Rückgrats. Endlich, mein Name.
"Glauben Sie mir, ich habe in meinem Leben schon viele Wirbelsäulen gesehen", gesteht der Orthopäde nach eingehender Betrachtung des Bildmaterials, "und ihre sieht vollkommen gesund aus. Die Bandscheiben ebenfalls, der Spinalkanal ist frei." Trotzdem besteht er darauf, "ein paar Tests durchzuführen".
Routiniert klopft er mit dem kleinen Silber-Hämmerchen auf meinen Beinen herum und biegt mich durch die Dimensionen. "Tut das weh?", fragt er gelegentlich, brummt von Zeit zu Zeit irritiert und verkündet schließlich leicht verschämt: "Der Befund ist klar – der Nerv ist taub. Aber woran es liegt, weiß ich nicht."
Manchmal regeneriere sich so etwas spontan, fügt er hinzu. Manchmal aber auch nicht. Mit einer Überweisung in die Neurologie entlässt er mich ins Ungewisse. Und ich bin wirklich dankbar, dass am Montag ein neuer Spiegel erscheint.
Hans-Dirk - Sonntag, 28. Januar 2007
Also stieg ich in die Magnetresonanzröhre, beseelt von dem Gedanken, spektakuläres Exklusiv-Bildmaterial für den Sauertopf zu bekommen – diese Fotos kennt noch nicht einmal mein Orthopäde. Eine gute Viertelstunde durchdrangen mich die unsichtbaren Ströme, der gigantische Apparat, gegen die der durch die Häuserschluchten streifende Kyrill sich anhörte wie das schmalzige Ende eines Kinderbuchs, war bester Laune. (Wann hast Du zuletzt so viel riskiert, MC Winkel? Labern und Holsten trinken kann jeder.)
Der Laie erkennt nun sofort, dass eine der Bandscheiben im Lendenwirbelbereich leicht auf den dahinter liegenden Nervenkanal drückt. Da mein medizinisches Gesamtwissen allerdings den beiläufigen Äußerungen Trapper Johns entstammt, halte ich es für richtig, auch noch einen studierten Mediziner einen Blick darauf werfen zu lassen.
Sollte dieser Beitrag gut geklickt werden, folgen an dieser Stelle demnächst Diagnose und Therapieansätze. Wenn alles gut geht, kann ich vielleicht auch demnächst wieder meinen rechten Fuß vollständig bewegen…
PS: Hätte ich diese Bilder doch bloß damals schon dem Doktor im Kreiswehrersatzamt auf den Tisch knallen können.
Hans-Dirk - Freitag, 26. Januar 2007
Meistens ist Kaffeetrinken bei meinen Eltern genauso spannend, wie es sich anhört. Frau A. ist gestorben, Herr M. ist jetzt Opa, das Wetter ist zu mild. Mit einem Berg Schlagsahne lässt es sich dennoch gut ein paar Stunden auf dem elterlichen Sofa aushalten.
Schwieriger wird es, wenn die politische Dimension einzelner Themen beleuchtet wird. Dann rührt man am besten noch einmal den Kaffee um, schenkt allen nach und hofft, dass der Stammtisch bald vorbei ist.
Manchmal aber werden solche Lektionen mit unverhofften Geschichten aus dem Leben aufgewertet, so wie gestern. Es ging wieder einmal um die politische und wirtschaftliche Lage im Allgemeinen und das Gebaren des Siemens-Konzerns im Besonderen. Mein Papa kommentierte: "Die sollen alle mal gar nicht so scheinheilig tun. Wenn man Aufträge gewinnen will, muss man eben tricksen." Nicht ohne eine gewisse Portion Stolz fügte er dann hinzu: "Und der Ex-Finanzvorstand von Siemens, der ist damals bei mir in die Lehre gegangen. Das ist ein guter Mann."
Saskia - Montag, 15. Januar 2007
Man kann sich seinen Verein leider nicht aussuchen. In dieser Hinsicht verhält es sich ähnlich wie mit dem Vornamen – eines Tages nimmt man ihn wahr und behält ihn dann ein Leben lang. Mein Club ist der Hamburger SV. Seit jenem Spätsommernachmittag in den achtziger Jahren, als mein Großvater seinen Sohn, seinen Schwiegersohn und seine Enkel in den großen hellgrünen Mercedes lud und die ganze Sippschaft ins Volksparkstadion entführte. Eine Männergruppe, wie sie vorzüglicher auch in die aktuelle Holsten-Kampagne nicht passen würde. ("Auf die Familien!")
Ich war gerade alt genug, um das Spiel einigermaßen zu verstehen – was zugegebenermaßen auch nicht allzu schwer ist –, die bedeutungsvollen Blicke der Verwandtschaft auf mich wirken zu lassen und zu wissen, dass Fußball offenbar etwas ganz Besonderes ist, wenn die Mannschaft mit den roten Hosen beteiligt ist. Fanwerdung durch Vererbung. Die letzten Happel-Jahre nahm ich also zumindest auf dem Papier noch mit, wenn auch als Kind noch stark darauf angewiesen, dass von Zeit zu Zeit der sehnsüchtig erwartete Shuttle-Benz vorfuhr, den der Opa dem Anlass entsprechend stets mit einer Fahne dekoriert hatte.
Mein Großvater lebt schon lange nicht mehr – und was seinen Verein angeht, ist ihm eine Menge erspart geblieben. Der rasante Weg von einem der stärksten Teams des Kontinents zu einer wenn schon nicht grauen, dann wenigstens recht blassen Maus mit Bundesliga-Abo. 15 Jahre absolute Tristesse, das Dilemma der Nachgeborenen.
"Aber im nächsten Jahr greifen wir richtig an", so das langjährige Leitmotiv des Clubs, während im Zweiwochenrhythmus unerschrockene Optimisten ins kalte Volksparkstadion pilgerten, sich wärmende Geschichten aus besseren Tagen erzählten, um sich vom Geschehen auf dem Rasen abzulenken, und die Tatsache verfluchten, dass man sich seinen Verein eben nicht aussuchen kann.
Adieu, Tristesse! Die seltsame Fußballmüdigkeit, die ich noch im August 2005 verspürte, ist verschwunden. Die Vorfreude auf die Rückrunde der Fußball-Bundesliga könnte größer kaum sein.
Das vergangene Spieljahr mag das erfolgreichste gewesen sein, seit ich nicht mehr in der abgebildeten Bettwäsche schlafe, doch so richtig genießen konnte ich es nicht. Nein, nicht des
traurigen Endes wegen. Eher, weil dieses so vertraute HSV-Gefühl fehlte. Eine einzigartige Gemütslage, die nur Menschen begreifen können, die Souleyman Sané oder Toni Polster mit erhobenen Armen auf die halbleere Ostkurve zulaufen gesehen haben.
Gefühle, wo man schwer beschreiben kann, halt. Ein Freund von mir hat es trotzdem einmal versucht. "Es ist, als hätte man zwei große Dosen Ravioli gegessen. Man fühlt sich einfach nicht gut." Aber immerhin ist man satt.
17 Endspiele entsprechen somit 34 Dosen Ravioli. Ich hoffe, im Mai ist mir nicht unglaublich schlecht.
Hans-Dirk - Mittwoch, 10. Januar 2007
Manchmal ist das Leben wie ein getrockneter Kaffeefleck auf einer Küchenarbeitsplatte.
Hans-Dirk - Dienstag, 9. Januar 2007
as alte ahr verabschiedet sich mit der unmissverständlichen otschaft, dass selbst einfache elektronische auteile nicht klaglos hinnehmen, in affee getränkt zu werden.
orsatz für 2007. neue astatur kaufen. ine xistenz ohne funktionierende hift-asten kann ich mir nicht mehr vorstellen. udem hemmt es den esefluss.
Hans-Dirk - Sonntag, 31. Dezember 2006