Abseits

Omas 80. Geburtstag

Den vergangenen Sonntag verbrachten Dirk und ich fast ausschließlich mit diesem Bilderbuch-Hausaufsatzthema. Zur frühen Schulzeit hätte mich das maßlos gelangweilt; diese Einschätzung lies sich mühelos aus der verträumten Miene des vierjährigen Urenkels ablesen. Zehn Jahre später wäre mir die Gesamtveranstaltung hochnotpeinlich gewesen; alle Teenager hatten sich erfolgreich vor der Teilnahme gedrückt. Lässt man dann die auf vier Köpfe reduzierte Enkelgeneration außer Acht, der auch Dirk und ich angehörten, waren alle übrigen Gäste schon mit Oma in Würde ergraut und waren offensichtlich erfreut über die feierliche Betriebsamkeit. (Lediglich zwei Damen "mittleren Alters" - so um die 50 - wehrten sich noch mit allen Mitteln gegen die grauen Strähnen. Eine wiederum versuchte, den Spaß durch übermäßigen Alkoholgenuss und dröhnendes Stammtischgelächter zu steigern.)

Und wie gefiel es mir? Überraschend gut. Es störte mich kaum, unbekannten oder einfach nur wieder vergessenen Menschen freundlich die Hand zu schütteln. Moin, moin, ich bin Saskia. Es machte mir Spaß, zu verfolgen, wie alle über den geduckt herumwieselnden aber freundlich grüßenden Herrn mit Schnauzer und "eher einfachem Gemüt" tuschelten, da keiner zuordnen konnte, aus welcher Ecke der Verwandschaft diese Figur ihren Weg auf das Fest gefunden hatte. Es belustigte mich zu studieren, dass an den Damenfüßen entweder schwarze Pumps oder weiße Brautschuhe mit Riemchen prangten, während die Oberkörper ausnahmslos in der Doppelverhüllung aus ärmellosen Tops in Nichtfarben mit zumeist pastell getönten Blazern schwitzten. Alle Herren trugen natürlich Anzug und nicht Chinos mit blauem Hemd.

Bei all diesen Beobachtungen hatte ich eine beinahe museale Freude an den Feierlichkeiten im Dorfgasthaus. Ihren Gipfel fand sie in der 45-minütigen Darbietung deutscher Schlager der Marschmusik durch die örtliche Feuerwehrkapelle. Die Damen und Herren intonierten mit bewundernswerter Kraft und Lautstärke auf Zuruf die verschiedensten Melodien auf ihren ausschließlich Blas- und Schlaginstrumenten, nach Kräften unterstützt von ihrem sich ständig die Stirn tupfenden und launige Moderationen einstreuenden Kapellmeister ebenso wie von einem takt- und textsicheren Publikum.

Als mir umherschauend bewusst wurde, dass nur die Kinder meiner Generation offensichtlich jede Bindung zum nationalen Liedgut verloren hatten, fragte ich mich doch mit leiser Sorge, ob es zu meinem 80. Geburtstag noch so schwungvolle Feuerwehrkapellen mit drallen Bläserinnen geben wird, die ungeniert die 46er Größenangabe der C&A-Hose am Gürtelbund tragen (während normalmaßige Vegetarierinnen als "Model" verdleumdet werden).

Und wird der kleine Urenkel, der durch die taktvoll in den Raum gebrüllte Feststellung, die "andere Oma" sei aber besser, die kaufe ihm mehr Geschenke, für die einzigen Augenblicke Stille im Festsaal sorgte, noch in der Lage sein, für Tante Saskia den obligatorischen zwölfzeiligen Paarreim zu dichten, der zur Huldigungszeremonie doch ebenso unabdingbar dazu gehört?

Aber vielleicht setzt Dirk sich ja doch mit der Moderne durch und alle kommen im Trikot und mit Knolle und grölen "Solange Johnny Thunders lebt"... Auch okay.

Und täglich grüßt der Chinamann

CHN

Im Discounter-Distrikt gibt es auch einen kleinen asiatischen Lebensmittelladen. Regelmäßig erstehe ich dort die einzigen beiden für mich interessanten Produkte, die die umliegenden Supermärkte nicht – oder nur zu absurden Preisen – anbieten: Mie-Nudeln und Soja-Sauce. Der freundliche Besitzer des kleinen Shops und ich haben dabei in den letzten Wochen unser eigenes Ritual entwickelt, wenngleich er das ganz offensichtlich noch nicht mitbekommen hat.

Ich lege also jedes Mal mein halbes Kilogramm Nudeln auf den Kassentresen und warte auf das unvermeidliche "1,65 Euro, bitte". Das wiederum bedeutet mir, dass wir das gleiche Spiel spielen werden wie immer. "Nein, nein, die kosten nur 1,45 Euro. Das steht zumindest auf dem Preisschild am Regal." – "Aaah, wirklich?!?"

Dann klettert er hinter der Theke hervor, wirft einen prüfenden Blick auf den Aufkleber, den er vor langer Zeit einmal über die Nudeln geklebt hat, eilt etwas verlegen zurück zur Kasse, tippt den richtigen Preis ein und entschuldigt sich vielfach. "Verzeihen Sie. Das ist, weil wir haben verschiedene Nudeln. Und ein andere Sorte kostet 1,65 Euro."

Jedes (!) Mal. Ausnahmslos.

An diesem Samstagvormittag hat mich das alte Schlitzohr allerdings überrascht. "Wollen sie Bratnudeln machen?", fragte er und während ich noch leicht perplex "Ja, genau…" stammelte, wurde mir plötzlich bewusst, dass die Blitzmerkerei doch keine exklusiv deutsche Tugend ist. Das Was kosten die Nudeln-Spiel haben wir im Anschluss natürlich trotzdem gespielt…

PS: Ich hoffe, wir bekommen wegen des politisch unkorrekten Ausdrucks Chinamann jetzt nicht lauter Zuschriften von aufgebrachten Indios oder Eskimos.

Der Discounter um die Ecke (2)

Saskia: "Schau mal, die haben hier jetzt sogar fertige Crêpes..."
Dirk: "Nimm doch welche mit."
Saskia: "Das wär aber schon ein bisschen dekadent."
Dirk: "Da hast Du auch wieder Recht."

(Kurze Pause)

Dirk: "Haben die hier eigentlich auch Krabben?"

Der traurigste Film aller Zeiten

Die aktuelle Nutzergruppe des Quartals, timanfaya, stellte ausgewählten Teilen der bloggenden Männerwelt kürzlich eine sehr persönliche Frage, vor deren Beantwortung ich mich selbstverständlich nicht drücken möchte. "Bei welchem Film nimmst du vorsorglich mal 'ne Packung Tempo mit?" Die ultimative Antwort lautet:

Im Wald und auf der Heidi, Teil 2

Heidi

[Achtung, Spoiler!]

Obwohl die liebenswerte Heidi bis zur orgiastischen Schlussszene ihren Idealen ("Das Bewusstsein bestimmt die Stellung, nicht die Stellung das Bewusstsein") trotz all der widrigen Umstände treu bleibt, entscheidet sich der herzlose Geissenpeter schließlich doch für das devote Zwillingspärchen. Da kommen mir jedes Mal… die Tränen.

(Kurze Pause zum Durchschnaufen.)

Gut, derlei Ergüsse sind allerhöchstens geeignet, sehr kleine Geister zum Schmunzeln zu bringen. (Ich musste beim Tippen lauthals lachen.) Mir ist schon klar, dass diese Frage durchaus ernst gemeint war; entsprechend ausgiebig habe ich gestern Abend gemeinsam mit Saskia den letzten Teil der Heidi-Trilogie geschaut die Filmgeschichte diskutiert. Mit dem Ergebnis, dass mir zwar mehrere Werke einfielen, die mich wirklich berührt haben, kein einziges jedoch, das mir tatsächlich Tränen in die Augen getrieben hätte.

Das ernüchternde Fazit dieser Überlegungen: Ich bin ganz offensichtlich ein emotional äußerst beschränktes Wesen. Eines, das traurig ist, wenn der falsche Fußballverein gewinnt. Wenn der Bierkasten leer ist. Wenn die Rabattwochen im Baumarkt enden. Dem nur dann die Augen feucht werden, wenn es erkältet ist. Und dann furchtbar leidet. Na ja, ein Kerl eben.

Tagesthema Frosch

Seit etwa zwei Jahren gehört er dazu; der gelbe Frosch, der im Auftrag eines Versorgungsunternehmens den Wetterbericht präsentiert. Er ist mittlerweile ein fester Bestandteil der Tagesthemen. Wie Ulli Wickert, Anne Will oder die oft unerträglich moralischen Kommentare von finster dreinblickenden Redakteuren des Bayrischen Rundfunks.

Der Frosch schlüpft in seinen kurzen Auftritten bevorzugt in Rollen, in denen Mann klassischerweise glänzen kann. Und versagt dabei zuverlässig. Eine Amphibie von der traurigen Gestalt, die seltener mit Windmühlen als mit der eigenen Tolpatschigkeit ringt. Auf dem Fußballfeld, im Schwimmbad, als Beachvolleyballer oder als Grillmeister – regelmäßig enden die Abenteuer des dünnärmigen Lurchs in der Katastrophe.

Wahrscheinlich soll der Zuschauer die bemitleidenswerte Kreatur in sein Herz schließen und nach Möglichkeit noch am selben Abend seinem Stromanbieter kündigen, um den gelben Frosch finanziell ein wenig zu unterstützen. Auf Saskia haben die Spots jedoch einen komplett gegenteiligen Effekt.

Saskia neigt verdammt noch mal wahrlich nicht zum Fluchen, die Stoffamphibie bedenkt sie jedoch stets mit einem zischendem "Scheißfrosch", sobald sie auf dem Schirm erscheint. Das wäre nicht weiter irritierend, wir leben schließlich in einem verhältnismäßig freien Land, in dem jeder nach Herzenslust verachten kann, wen er will.

Seit sie meinen Einwand, der "Crazy Frog" sei ja wohl deutlich nerviger, mit einem kurzen Schulterzucken zurückwies, bin ich mir sicher: Saskia und der Frosch werden in diesem Leben keine Freunde mehr.

Bauchentscheid

Wie stehst Du zum Gelben Frosch?

Sympathieträger
Scheißfrosch

  Resultate

Hans-Dirk, 17:41h.


PS: Bei den aufwändigen Recherchen für diese Geschichte habe ich herausgefunden, dass die Rocklänge von ARD-Wetterfee Claudia Kleinert sich umgekehrt proportional zur erwarteten Niederschlagsmenge des Folgetags verhält. Einfach mal drauf achten...

Die Einsamkeit der Plastikgießkannen (3)

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"Du Sohn einer terroristischen Gießkanne!" (Nein, Herr Dr. Schäuble, das muss Sie nun wirklich nicht interessieren.)

Stets hatten meine Augen jenen Punkt fixiert, an dem für Sekundenbruchteile die Stirn des Franzosen und das Brustbein des Italieners zu einer denkwürdigen Anekdote der Fußballgeschichte verschmolzen waren. Sonderbar, da hat man ein Bild so oft betrachtet – und plötzlich entdeckt man doch noch etwas Neues.

Im grellen Flutlicht. Und trotzdem einsam.

Die Einsamkeit der Plastikgießkannen (2)

Heute: Hauptstadtgießkannen. Die letzte ist eindeutig die einsamste.

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Die Einsamkeit der Plastikgießkannen

Seit vielen Jahren zeigt sich: Je schwachsinniger absurder eine Idee ist, desto mehr Potenzial hat sie - zumindest im Internet. Das galt schon für Führermiezen oder Mondmeerschweinchen, erst recht jedoch für Bilderserien, in denen einsame Plastikgießkannen im Mittelpunkt stehen.

The next big thing? Möglich. Der Sauertopf will sich nicht vorwerfen lassen müssen, diesen großartigen Trend verschlafen zu haben und zieht nach.

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Das Deutschland-Lotto

Nur 32 Tage nach dem Ende der Fußball-Weltmeisterschaft ist ganz Sauertopfland wieder von schwarz-rot-goldenen Dekorationselementen befreit. Ganz Sauertopfland? Nein! Ein Balkon unweit von Saskias und Hans-Dirks Habitat leistet unbeugsamen Widerstand!

Balkon

In unserem Bestreben, die Klickzahlen durch vermehrten Paarungscontent und Gewinnspiele zu steigern, stellt der Sauertopf folgende Frage: Wann verschwinden auch die letzten beiden Flaggen? Bitte einfach ein Datum als Antworttext nennen und dann auf das Glück, einen Wirbelsturm oder die Weihnachtszeit hoffen.

Dem Teilnehmer, der mit seinem Tipp am ehesten das tatsächliche Beflaggungsende prophezeit, winken wahlweise die Ernennung zur "Nutzergruppe des Jahres" – dafür wird zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Galerie erstellt – oder ein Candlelight-Dinner mit Sauertopf-Edel-Nutzergruppe Daniel Kaiser vom NDR. (Das müsste dann allerdings vom Gewinner selbst organisiert werden…)

Die Auflösung folgt an gleicher Stelle.

Diälektik

Aufgeschnappt am Dienstagnachmittag.

A: "Möchtest Du Cola Light oder die normale?"
B: "Die normale, bitte."
A: "Davon wird man aber dick."
B: "Na und, ich bin doch schon dick!"
A: (etwas kleinlaut) "Hmmm, ich auch - obwohl ich Cola Light trinke..."
B: "Also: Lass mich in Ruhe mit dem Zeug."

Sauertopf

Fachblog für Befindlichkeiten.

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Zuletzt aktualisiert: 27. Mai, 17:58

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