Kaffeefahrt, Teil 5

In den spaeten Abendstunden lueftete der schuechterne Vulkan schliesslich doch noch sein Geheimnis und gewaehrte der neugierigen Touristenschar einen kurzen Blick unter sein Wolken-Tutu. "Das dort hat ungefaehr die Groesse eines Lastwagens", erklaerte unser Reiseleiter, ohne eine gewisse Portion Stolz verbergen zu koennen, als wir mit offenen Muendern einen gluehenden Gesteinsbrocken den Hang herabkullern sahen. Auch aus fast zwei Kilometern Entfernung noch ein hoechst eindrucksvolles Schauspiel! (Wer haette ausserdem gedacht, dass mir nach dem Korrekturlesen Deiner Diplomarbeit jemals wieder das Wort "Subduktion" begegnen wuerde, Bruederchen?)

Zeuge einer weniger sehenswerten Auffuehrung wird man indes tagsueber im Doerfchen La Fortuna: Ein Ort, fuer den sich vor dem letzten Ausbruch des Arenals (1968) kein Mensch interessiert hatte, seither spuckt die Erde jedoch - im gleichen Rhythmus wie der Vulkan fluessiges Gestein - Hotels, Restaurants und Reiseagenturen aus. Niemand, der nicht im Schatten des riesigen Kegels das grosse Geld wittert. Dieses Fleckchen Erde ist leider aehnlich seelenlos wie die Armee der nordamerikanischen Traveller, die sich durch die beiden Hauptstrassen draengt und dabei wahrscheinlich sogar der Meinung ist, das sei ein echtes Abenteuer.

Und ueber alledem pafft voellig gleichgueltig der Arenal vor sich hin...

Der Nebelwald von Santa Elena/Monteverde - und damit die naechste Klimazone: Es ist windig, deutlich kuehler und die Luft ist so feucht wie der Ruecken eines untrainierten Wehrdienstleistenden auf seinem ersten Gewaltmarsch.

Bedingungen, die dem menschlichen Ohr nicht besonders angenehm klingen, jedoch ein faszinierendes Pflanzenwachstum ermoeglichen. Kaum ein Kubikmeter bleibt in diesem fast menschenleeren Reservat unbewohnt; kein Baumstamm, auf dem nicht wenigstens noch zehn andere Pflanzen wucherten, eine feine Schicht Moos kleidet die komplexen Strukturen in eine weichere Form. (Schwer zu beschreiben. Wer sich das immer noch nicht vorstellen kann, sollte vielleicht einmal versuchen, den Wald aus der Krombacher-Werbung nur mit der dunkelgruenen Farbe aus einem Standard-Tuschkasten nachzumalen.)

Momentan ist wieder einmal produktives Warten angesagt. Die Faehre von Puntarenas wird uns in einer knappen Stunde hinueber auf die Halbinsel Nicoya bringen, dort erwarten Saskia und mich dann die erfrischenden Fluten des Pazifiks.

Vulkan Arenal Santa Elena Santa Elena Playa Sámara

Kaffeefahrt, Teil 4

Buenas tardes, amigos, die Ihr unsere Reise mit dem Finger auf der Landkarte - oder dem Mauszeiger auf Google Earth - verfolgt,

Eure liebsten Backpacker haben dem wilden Atlantik inzwischen den Ruecken gekehrt und sind (ueber San Jose und Ciudad Quesada) nach Los Chiles gereist. Ein staubiges Nest an der Grenze zu Nicaragua, das ueberwiegend von Tagestouristen beehrt wird, die auf einem der beiden Fluesse der faszinierenden Fauna ihre Digitalkameras entgegen recken.

Nun, eine solche Bootsfahrt haben Saskia und ich uns zwar auch gegoennt; waehrend jedoch am spaeten Nachmittag die Busse wieder in Richtung Hauptstadt rollten, nutzten wir die Gelegenheit, ein wenig Mittelamerika-Melancholie zu atmen und blieben dort. Wo der Tag im Grunde endet, sobald die Sonne Feierabend macht - was leider nicht bedeutet, dass es damit auch kuehler wuerde. Wo man auf abgedichtete Fenster keinen Wert mehr legt, weil es ohnehin unmoeglich ist, die Hitze oder das Ungeziefer aus den Haeusern zu verbannen. Wo man nachts auf seinem Bett liegt und den bizarren Schreien der Bruellaffen lauscht, im Wissen, dass auf der Innenseite der Badezimmertuer eine Kakerlake hockt, so gross wie ein Matchbox-Auto. (Wo man Notizen voller Pathos in seinen Notizblock kritzelt, die fast so schmalzig sind wie die Texte der Schlager, die in den hiesigen "sodas" gespielt werden.)

Los Chiles kommt uebrigens mit einer sportiven Variante der klassischen kolonialen Staedtearchiktektur daher: Findet man ansonsten im Zentrum jedes noch so kleinen Dorfes einen Park ("parque central") und direkt daneben die Kirche, hat man in Los Chiles auf einladende Baenke und schattenspendende Palmen verzichtet. Vor dem Gotteshaus liegt der Fussballplatz - Zentrum des kulturellen Lebens. ;)

Etwas aus der Praxis. In Costa Rica scheint es nur zwei Arten von Duschen zu geben: Die einen sind schlicht und kalt. (Bei den hohen Temperaturen soll sich der Kerl nicht so anstellen, wird nun der eine oder andere einwenden. Es kostet dennoch Ueberwindung.) Die zweite Art ist aehnlich schlicht, am Duschkopf ist allerdings ein kleines Plastikkaestchen angebracht, ein Mini-Durchlauferhitzer, der fuer eine angenehmere Wassertemperatur sorgt. Ueberwindung kosten hier die abenteuerlichen Verkabelungen des Wundergeraets - alles in der Duschkabine. Nicht oder nur notduerftig isolierte Draehte sowie der irritierende Aufdruck "600 V" sind der Grund, dass ich mich bis heute noch nicht entschieden habe, welche Sorte die bessere Wahl darstellt.

Heute: Der Transfer nach La Fortuna, wo wir in einer guten Stunde einen Blick in den Vulkan "Arenal", den aktivsten des Landes, werfen werden. Lava-Watching - leider ziehen gerade Wolken auf...

Los Chiles KF4_2 Los Chiles "suicide shower"

Kaffeefahrt, Teil 3

Buenas!

Unser Weg nach Puerto Limon fuehrte entlang an endlosen Bananenfeldern, lediglich unterbrochen von gewaltigen Burgen aus gelben Frachtkontainern. (Bemerkenswert: Etwa die Haelfte der Metallkisten trug den Aufdruck "Hamburg-Sued".)

Wildpark trifft Fototapete: Nie habe ich einen schoeneren Strand gesehen als jenen von Cahuita, nur noch wenige Kilometer von der Grenze zu Panama entfernt. Den speziellen Reiz stellten dabei nicht einmal der zuckrige Sand, die leuchtend blaue See oder die neugierig aufs Wasser hinaus schauenden Palmen dar - so etwas beschert einem ja mittlerweile jede TUI-Werbung sowie jeder zweite Film mit Leonardo DiCaprio.

Vielmehr begeisterte der direkt am Strand gelegene Dschungelstreifen, durch den ein schattiger Pfad fuehrte. Blaeuliche Krabben huschten in ihre Erdloecher, von Zeit zu Zeit schwirrte ein Kolibri durch die Urwaldkulisse, manchmal auch ein riesiger Schmetterling. Mit ein wenig Glueck liess sich in einer Baumkrone ein Faultier erspaehen, das sich gleichermassen ausgiebig wie ungeniert kratzte, leichter sogar noch eine kleine Horde niedlicher Kapuzineraeffchen. (Dass diese wenig spaeter zum Angriff uebergingen, kann man ihnen nicht vorwerfen, schliesslich hat niemand das niederlaendische Paerchen gezwungen, sein Picknick so offen auszubreiten...)

Laesst man die letzte Anekdote fort, praesentieren sich diese Kilometer Karibik als absurd schoenes, unglaublich lebendiges Paradies.

Deutlich entspannter geht es im Ortskern zu: Reggae- oder Calypsoklaenge toenen aus den "sodas" auf den staubigen Sandweg, aus den meisten Huetten dringt entweder der Duft frischer Fruechte - oder der eines St. Pauli-Heimspiels an einem warmen Augustnachmittag. :)

Fuer den beschwerlichen Bau der Eisenbahnstrecke, die den Kaffeetransport aus dem costaricanischen Hochland zur Atlantikkueste erleichtern sollte, heuerten die Ticos vor einem guten Jahrhundert reichlich Hilfskraefte aus Jamaika an, diese wurden in der Gegend heimisch und pflegen ihr Karibik-Image seither fleissig. Mit Rastafari-Muetze auf dem Haupt und einer Bob Marley-Flagge am Bolzplatz. Sicher, recht plakativ, doch mit mindestens einem Auge auf den Tourismus auch ebenso sinnvoll. Obendrein sehr unterhaltsam. (Ein weiterer Pluspunkt: Reis und Bohnen werden hier mit Kokosmilch vermischt. Endlich Abwechslung!)

Cahuita KF3_2 KF3_3 KF3_4

Kaffeefahrt, Teil 2

Cartago war lange Zeit die Hauptstadt Costa Ricas, bis der boese Vulkan "Irazu" vor etwa 250 Jahren meinte, sich ins anliegende Tal uebergeben zu muessen. Die letzten Reste der wohl einstmals praechtigen Kolonialarchitektur zerstoerten in der Folge diverse Erdbeben. So kommt das Staedtchen heute einigermassen provisorisch daher; schick ist wenig, einzig die prunkvolle Basilika kann sich aus dem Vorstadtdunst erheben.

Auf den Rucksack-Tourismus ist man in Cartago noch nicht eingestellt, auch wenn sich von dort gleich mehrere Touren anbieten. Das einzige Hotel unserer bevorzugten Preiskategorie - billig! - war bei Ankunft leider ausgebucht. "Aber versucht es doch mal da drueben", riet man uns freundlich und deutete auf eine Videothek, deren unaufdringliche Neonleuchtreklame ("Accion! Erotica!) uns zuvor eher wenig einladend vorgekommen war. Gesagt, getan - tatsaechlich gab es dort auch Zimmer zu mieten, nach dem Check-In-Gespraech ("Wie, Ihr wollt die ganze Nacht bleiben? Ach ja, der erste Film ist gratis.") verpufften die letzten Fragen...

Versoehnt durch eine eigene Kaffemaschine und guenstige Backwaren ging es am naechsten Morgen in aller Fruehe auf den bereits erwaehnten Vulkan. Der wunderbare Blick hinab in den gelblich-gruenen Kratersee, eine surreale Mondlandschaft aus feiner schwarzer Asche - das war die anstrengende Vorbereitung der Anfahrt wert. (Drei Ticos, fuenf Meinungen: Zumindest, wenn man einfach nur herausfinden moechte, wann und wo der richtige Bus faehrt.)

Auf 3400 Meter hatten nicht nur Saskia und ich, sondern auch die Reisefuehrer mit Temperaturen knapp ueber dem Gefrierpunkt gerechnet. Unerbittliche Mittagssonne empfing uns stattdessen auf dem Gipfel und gab uns krebsrote Nasen und Arme mit auf den Rueckweg.

Mittlerweile sind wir weitergereist ins Orosi-Tal, wenige Kilometer suedlich von Cartago. Kaffeepflaenzchen - ich habe die Gelegenheit genutzt und mich gleich bei mehreren davon fuer die vielen schoenen gemeinsamen Stunden bedankt - und Bananenblaetter an steilen Wanderwegen, ein Paradies in allen vorstellbaren Gruentoenen. Morgen geht es allerdings schon wieder weiter; die karibische Kueste lockt uns mit ihren Postkartenstraenden aus dem Hochland. (Alajuela, Cartago, Orosi, Turrialba, Siquirres, Puerto Limon, Cahuita. Das sollte unsere Route sein, wenn alles gut geht - und endlich jemand praezise sagen kann, wo und wann der Bus faehrt... ;))

Uebrigens: Das Kilo Bananen kostet hier etwa zehn Cent und der einzige deutsche Fussballspieler, den hier jeder kennt, ist Franz Beckenbauer.

Volcan Irazu KF2_2 Da sind tatsächlich zwei KAFFEEBOHNEN drin! Orosi

Kaffeefahrt, Teil 1

Als der ueberraschend gut gelaunte Immigration Officer auf dem Orlando International Airport unsere Fingerabdruecke gescannt hatte und eine gute Reise wuenschte, war es Gewissheit: Saskia und ich wuerden nach Costa Rica reisen! Nach insgesamt 18 Stunden - die wie im Flug vergingen - sind wir also schliesslich in San Jose gelandet. Der Flughafen liegt allerdings ein paar Kilometer ausserhalb, so dass wir es auch ob der spaeten Ankunftzeit vorzogen, die erste Nacht in Alajuela zu verbringen.

Alajuela, immerhin die zweitgroesste Stadt des Landes, kam in den fruehen Morgenstunden derart verschlafen daher, dass man sich kaum vorstellen konnte, dass hinter all den verschlossenen Rolllaeden und Tueren 185.000 Menschen leben sollen. Mittlerweile, 18:30 Uhr Ortszeit, hat sich das grundlegend geaendert. Der Freitagabend lockt die "Ticos" auf der Suche nach dem naechsten "Imperial"-Bier hervor, die durchloecherten Buergersteige sind aehnlich ueberfuellt wie die Strassen. Etwas hilflos tapsten wir gerade auf der Suche nach einem Internet-Cafe durch die verschieden Avenidas und Calles - originellerweise verzichtet man naemlich hierzulande fast vollstaendig auf Strassenbezeichnungen. Auf Nachfrage erhaelt man dann Anweisungen wie "zwei Blocks hinter dem Supermarkt XY, dann noch huntert Meter rechts"...

Unser erster Ausflug fuehrte am Vormittag in einen wunderschoenen Tierpark, der sich ruehmt, einen Grossteil der 850 in Costa Rica heimischen Vogelarten zu beherbergen. So viel Federvieh in beeindruckender Farbenvielfalt, wunderschoen eingerahmt von wild wuchernden, leuchtend gruenen Pflanzen, die bei uns wahrscheinlich nicht einen einzigen Februartag ueberleben wuerden. (An dieser Stelle hoffe ich, Ihr habt es wieder schoen kalt. Hier waren's heute angenehme 25 Grad.) In dieser malerischen Kulisse bot ein blau-goldener Papagei ein unvergessliches Schauspiel: Er hing leicht gelangweilt an einem Ast. Kopfueber, einkrallig. Schliesslich wechselte er immer ubermuetiger das Bein, das ihm gerade Halt gab - um mit einem lauten Schrei eineinhalb Meter hinab schnabelwaerts in den Dreck zu stuerzen. Wahnsinnsnummer! Warum bitte hat noch kein Ara seine eigene Fernseh-Show?!?

Ein kulinarisches Zwischenfazit gibt es auch schon: Der Kaffee ist gut, billig und in jeder besser sortierten "Soda", so heissen hier die Schnellimbisse, erhaeltlich. Ja, so hatten wir uns das gedacht. Ausserdem wie erwartet: Bestellt man eine Mahlzeit, wird nach nicht etwa gefragt, was man denn haben moechte, sondern was man denn "zu den Bohnen mit Reis" haben moechte.

Morgen geht es schon weiter nach Cartago. (Hier der Scherz fuer das Bildungsbuergertum, insbesondere ehemalige Lateinlehrer: "Wir meinen uebrigens nicht, das Cartago zerstoert werden sollte.")

Hasta luego, alles in Ordnung hier.

Alajuela Trottel-Papagei "Meine Eier sind nicht die Lösung." Cartago

Vorfreude / Vorbereitungen

Jetzt ist es wirklich absehbar, bis die große Kaffeefahrt beginnt! Wir essen bereits den Kühlschrank leer.
Die Abfahrt ist nah genug, dass ich bei aufkommenden Katastrophen in der Arbeitswelt mich bereits ins Fäustchen lachen beruhigen kann, dass sie erst nach meiner Abfahrt in ihrer vollen Gewalt losbrechen werden.
Die Abfahrt ist nicht nah genug, dass wir uns schon vorbereiten würden. Eigentlich war die Erstellung einer ersten Checkliste für Mittwochabend geplant, der dann aber von meinen Mitbewohnern doch lieber für eine Partie Pool genutzt wurde.
Gestern kurz vor Mitternacht haben wir dann doch noch die Gedanken zusammengeworfen und einen DIN A5-Zettel in drei verschiedenen Schriftausrichtungen rot vollgekritzelt (jetzt rächt sich, dass wir hier keinen Scanner haben) mit Merkposten von Fieberthermometer über Moskitozeug bis Vorhängeschloss und Wecker. Als ich mich kurz vor dem Einschlafen in eine nostalgische Tirade über das unnachahmliche Gefühl der Freiheit und Abenteuerlust hineinsteigerte, das untrennbar mit einer Klorolle im Handgepäck verbunden sei, wurde mir klar, wie sehr ich mich freue hier herauszukommen...

In China fällt ein Sack Reis um...

Das war die Erklärung dafür, dass Dirk gestern Abend nicht zum verabredeten Abendessen kommen konnte: Es gab heftige Winde in Sestriere.

Osterweiterung, Teil 2

Fast eine Woche ist um, und es kommt mir gar nicht lange vor.
  • Das Schlafen bei Dirk ist sowieso nichts, woran ich mich gewöhnen müsste.
  • Die Beobachtungen der linear ansteigenden Verschmutzung haben sich bestätigt und ich heldenhaft bis Samstag ausgehalten - und das trotz Abschaffung des zweiten Staubsaugertages!
  • Mein Zimmer bekommt einen Charakter, den es in meiner Gegenwart nie angenommen hätte: Es mutiert zum Tonstudio. Verschiedenste elektronische Instrumente sind über diverse Kabel und wundersame schwarze Kisten mit blauen und roten Leuchtdioden verbunden, damit letztlich für die Nachbarn und mich nicht wahrnehmbare Avantgarde in einem riesigen Kopfhörer ertönt, welcher sich quasi dauerhaft an die Ohren des Mitbewohners schmiegt, es sei denn man öffnet die Tür. Dann rutschen die Hörer um seine Schultern und die Augebrauen fragend in die Höhe, denn...
  • Endlich haben wir sehr zur Freude der beiden Herren rund um die Uhr frischen Kaffee. Zusammen schaffen sie das spielend.
Eigentlich schade, dass ich das gar nicht länger beobachten kann als noch etwas über ein Woche, denn dann, Ihr wisst ja: Kaffeefahrt!

Men at Work

Wir sind wieder zu dritt!
Die ersten Veränderungen sind spürbar:
  • Als ich gestern nach Hause kam, war ein Rechner in seine Einzelteile zerlegt auf der mir zugedachten Schlafstelle ausgebreitet.
  • Als ich heute morgen aufstand, empfingen mich zwei leere Astra-Knollen auf dem Frühstückstisch.

Porträt Don Quixote

Zum ersten Mal hätte ich gern so ein technisches Spielzeug zum Aufzeichnen bewegter Bilder gehabt, um mehr Menschen ein Zeugnis moderner Ritterschaft verfügbar zu machen. Ein ganz reizendes kleines AVI hat sich in der letzten Woche in meine Netzhaut und den damit verbundenen Teil meines Gehirns eingeprägt:
Nach dem Abendbrot steht Dirk auf und verschwindet mit den Worten Ich muss mal kurz Trockner spielen um die Ecke. Verwundert folge ich ihm und bestaune folgende Szene: Er steht vor seinem Bett, das über und über mit Wäschestücken verschiedenster Farbe und Größe bedeckt ist - Handtücher, Waschlappen, Unterhosen, Socken, T-Shirts. Diese liegen aber nicht einfach nur ausgebreitet, sondern werden von ihm mit schwungvollen Armbewegung aufgewirbelt und umverteilt. Es sieht ein wenig aus, als würde Don Quixote mit Wimpeln jonglieren. Alles fliegt herum und landet verdreht durcheinander unweit von der Stelle, wo es aufgenommen wurde. Wuusch, wusch, ruft er und freut sich sichtlich an maschinengleicher Präzision und Wirkungsgrad seines Einsatzes.
Ich bewundere ernsthaft, dass er nach dem Kampf mit der Waschmaschine noch die Herausforderung des fehlenden Trockenplatzes mit so viel Kreativität, Einsatz und Freude annimmt.

Die äußeren Zwänge

Nebenbei: Es regnet gerade in San José, kann ja wohl nicht angehen!

Aber eigentlich wollte ich mich zu einem ganz anderen Thema äußern: meinem persönlichen Drang für alle Handlungen und Positionen äußere Gründe zu finden und notfalls zu konstruieren, um ja keinen freien Willen anerkennen zu müssen. Für mich oder für andere.
Das jüngste Beispiel war mein nostalgischer Beitrag über die Winterpause. Ich trauerte der schönen Zeit nach, als kein unverrückbarer Spiel- und Arbeitsplan den trauten harmonischen Lebensrhythmus zu stören drohte, der für eine kurze glückliche Zeit hier Einzug gehalten hatte. Nur zwei Tage später fiel mir auf: Es liegt überhaupt nicht (oder doch nur sehr am Rande) an extern oktroyierten Stundenplänen, denen das globalisierte Individuum sich unterwerfen muss, dass ich mich verstärkt wieder in der von mir schließlich mit proklamierten Wohngemeinschaft statt im weihnachtlichen Kuschelnest aufhalte. Vielmehr ist dies der freie Wille meines Mitbewohners. Der weiß nämlich, dass Montag unser Gast kommt und die räumliche Nähe dann tatsächlich erzwungen wird. Ich aber habe mir genehmere Gründe gefühlte Distanz ausgedacht. Bravo.
Aber immerhin mein alter Philosophielehrer wäre wohl stolz, wüsste er, dass ich über derart nichtige Erkenntnisfortschritte zum vermeintlich freien Willen tatsächlich auf den Wikipedia-Eintrag vom Laplace'schen Dämon gekommen bin...

Mitmenschen

Was macht denn Cowboy im Nachbarhaus? fragte ich mich entsprechend einer blöden Gewohnheit vorhin nicht eben still, als ich nach Hause kam. Bei der Gelegenheit fiel mir auf, dass wir nach so langer Zeit immer noch ein sehr seltsames Verhältnis zu unseren Nachbar haben:
  • Da gibt es Herrn ***, der einzige, den wir aus unerfindlichen Gründen bei seinem Namen nennen, der auf dem Türschild steht. Dabei hat er auch andere Eigenheiten, auf die wir aber aus rechtlichen Gründen nicht weiter eingehen...
  • Dann ist da eine nette Frau, deren Namen ich immer vergesse. Der bisher einzige Kontakt: Sie brachte ihre Tiefkühlnahrung vorbei, als sie in den Urlaub fuhr. Sehen wir so bedürftig aus?
  • Dann gibt es die dunkelhäutige Schönheit, hinter deren Tür Musik aus 1001 Nacht erklingt und neuerdings ein blonder Schnösel verschwindet.
  • Und letztlich wohnt nebenan die lustige Familie aus Cowboy, Yeti, Mutter und Sohn. Sie sind alle sehr munter und grüßen fröhlich - außer Cowboy, wenn er morgens noch etwas unausgeschlafen mit seinem Kaffeebecher in der Hand das Haus verlässt. Sie haben mehrere Nachnamen, wer welchen ist uns nicht klar aber eigentlich auch egal. Wir benennen sie nach ihren Schuhen, zumindest Cowboy und Yeti. Wie Cowboy's Stiefel aussehen, muss ich wahrscheinlich nicht erläutern. Yeti hat diesen Winter mindestens drei Paar Stiefel in unterschiedichen Schärfegraden, eins davon mit Unmengen weißen Plastikfells um die Fesseln.
Und diese bunte Auflistung enthält wirklich schon fast alles, was ich über die Menschen weiß, die im gleichen Haus wohnen.
- BTW, was macht eigentlich der Typ nebenan?

Winterpause

Bisher ein Wort, das eher lächerlich harmlos wirkte. Wie "C-Klasse" - irgendwie wohl bedeutend, aber nicht für mich. Nun, dieses Jahr ist mir aufgefallen, dass die Winterpause einen enormen Einfluss auf mein Leben im Sauertopf hat. Sie hat einen völlig neuen Rhythmus geschaffen!
Offensichtlich die Auswirkungen einer Winterpause auf sauertöpfische Wochenenden: Plötzlich gibt es Tage, an denen man länger als drei Stunden gemeinsam zu Hause und wach ist. Das eröffnete völlig neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung.
Aber viel bedeutender - ist mir diese Woche aufgefallen - waren die kaum merklichen Unterschiede unter der Woche: Plötzlich gab es diese halbe Stunde vor dem Einschlafen, die ich mir immer vorgestellt hatte, in der man eigentlich nichts mehr zu tun hat, als sich ein wenig den Tag zu erklären. Und aus der man dann einfach hinüber dämmert ins Reich der Träume. Und morgens wacht man auf und tauscht wieder drei Worte Präsenz. Wir hatten hier tatsächlich einen geteilten Rhythmus für eine kurze Zeit.
Und plötzlich klingt das alberne Wort mindestens so verlockend wie das Versprechen einer süßen Auszeit aus dem Munde eines Milchtiers.

O-Töne, Teil 8

Das WM-Jahr hat begonnen, dem Fußball wird 2006 niemand ausweichen können. In unserer Küche befand Saskia schon heute:

"Du kochst mindestens so gut wie Tim Metzelder!"

Grün ist die Eifersucht

Ich habe ganz versäumt, über unseren nächsten grünen Mitbewohner, eine metergroße Bananenpflanze zu berichten. Wahrscheinlich weil so viel Zeit und Wirrungen zwischen dem hoffnungsfrohen Zuschlag und der letztlichen Ankunft im Sauertopf lagen. Nun ja, seit etwa zwei Wochen ist sie da und wird rührend gepäppelt, da sie eine schwere Zeit zwischen den Jahren bei Dirks Bruder verbringen musste.
Anfangs gefiel mir das: Sie ist ja durchaus dekorativ und trotz Stille und Anmut nicht langweilig, denn sie wächst tatsächlich zusehends. Auch dass Dirk ihr täglich freundlich zuredete und vor dem Einschlafen zärtlich über ihre jungen grünen Blätter streichelte, amüsierte mich zunächst.
Aber seit heute bin ich eifersüchtig auf das grüntriebige Ding: Er hat sie aus dem Topf gehoben, in die Wanne gesetzt und ihr einen wohltemperierten Tropenschauer simuliert! Auf mein Befremden und die beleidigte Frage, warum er so schöne Dinge nicht mit mir mache, sagte er: Wenn im Internet stünde, dass das gut für dich ist...
Also, [zensiert].
Oder muss ich dafür sorgen, dass das auf planzendoktor.at publiziert wird?

Austicken anstatt Auszeit

Man beachte die wachsenden Vorfreude-Features rund um den Sauertopf, z. B. die Temperatur da links. Oder das nette Bild oben. Und ich bin echt reif wie eine Aldi-Banane am Samstagmittag für eine Auszeit. Sieht man auch an folgendem Erlebnis:
Grundätzlich gehöre ich ja nicht zu den Leuten, die abends fitter sind als morgens. Um ehrlich zu sein, bin ich meistens um 22:00 fertig mit dem Tag. An normalen Abenden bin ich dann einfach müde und entschlafe der Mühsal des Tages einigermaßen still. Aber wenn der Tag irgendwie noch mühseliger war und ich noch länger von den erlösenden Armen Hypnos ferngehalten werde, dann kann das auch mal in die andere Richtung losgehen. Dann wüte ich noch ein wenig vor dem Einschlafen.
So auch diese Woche. Mit wachsendem Reifegrad und steigendem Zickenpotenzial habe ich es gestern sogar so weit gebracht, dass ich mir völlig neue Perspektiven auf andere Weise als durch Kaffeefahrt erschlossen hatte.
Ich lag schließlich müde und erregt zugleich in meinem Bettchen und versuchte mir auszumalen, was ich alles an einem Wochenende plötzlich und unverhofft alleine anfangen könnte - noch dazu mitten in der Winterpause. (Und ein ganz kleines bisschen freute ich mich schon auf Live-Reportagen aus dem hiesigen Krisengebiet...) Aber mitten in meinen Autarkiephantasien öffnete sich sanft die Tür, Dirk kam herein und setzte mir einfühlsam, aber bestimmt auseinander, dass er sich von mir nicht jeden Abend anzuschimpfen lassen braucht.
Was will man da machen?! Ich konnte ihm nur Recht geben und versöhnt einschlafen. An mir liegt es jedenfalls nicht, wenn im Sauertopf die dramatischen Einträge fehlen... Und vielleicht komme ich auch noch aus dem Urlaub so grün und straff wie die Bananas auf dem Bild oben zurück!

Wer einmal nur im Foxtrott rennt...

slothDie Bourgeoisierung unserer Gesellschaft schreitet unaufhaltsam voran:
Wir waren beim Tanzkreis! Nur zu Recherchezwecken selbstverständlich. Aber irgendwie waren wir schon mittendrin im munteren links-dreh-seit-ran - Ich kann nicht jeglichen Spaß leugnen. Und in der anschließenden Bewertung wurden tatsächlich Argumente wie "dann können wir ja auf der Hochzeit mittanzen" ausgetauscht.
Es wird Zeit, dass es los geht auf Kaffeefahrt, damit wir für ähnliche aufregende Recherche-Themen ("Wie fühlen Sie sich beim Elfmeter?") wenigstens exotischere Gesprächspartner haben...

Sauertopf

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Online seit 7309 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 27. Mai, 17:58

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